Offener Leserbrief zum Interview mit Prof. Christian Bogdan in den Nürnberger Nachrichten COVID is not over, 14. September 202320. Juli 2024 In einem offenen Leserbrief veröffentlichen die Endemie💙Rebellen eine Stellungnahme zu den Aussagen von Prof. Christian Bogdan im Interview mit den Nürnberger Nachrichten. COVID is not over unterstützt dieses Anliegen und bittet Mitleser:innen, den Brief ebenfalls zu unterzeichnen. Bitte nutzen Sie dazu die Kommentarfunktion am Ende des Beitrags. In der Ausgabe vom 13. September 2023 veröffentlichten die Nürnberger Nachrichten unter der Überschrift »Luftfilter in Schulen sind wenig sinnvoll« ein Interview mit Prof. Christian Bogdan, Institutsdirektor Mikrobiologisches Institut – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene des Universitätsklinikums Erlangen. In diesem Interview stellt Herr Professor Bogdan diverse Aspekte und Maßnahmen der Pandemiebekämpfung rückblickend in Frage und kritisiert zudem wirkungsvolle Mittel zur Risikominderung im Umgang mit Infektionskrankheiten wie Influenza oder SARS-CoV-2. Link zum Artikel (paywall):https://www.nn.de/region/frankischer-covid-experte-zieht-corona-bilanz-teure-luftfilter-in-schulen-sind-wenig-sinnvoll-1.13584150 Hier einige Auszüge aus den Antworten von Prof. Bogdan: »Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass nicht nur Herz-Kreislauf und Tumorerkrankungen, sondern auch Infektionen eine Bedrohung für die Bevölkerung in Deutschland darstellen können«. […] »Des Weiteren hat die Pandemie den Menschen die Wirksamkeit einfacher Hygienemaßnahmen wie Abstand, Händewaschen, Atemmasken und Lüften vermittelt.« »Anlasslose Coronatests von symptomlosen Personen haben sich als viel zu aufwändig und nicht zielführend erwiesen. Ebenso sind teure Raumluftfiltrationsgeräte, etwa in Schulen, wenig sinnvoll, da sie die Virusübertragung durch direkten persönlichen Kontakt nicht verhindern. Schulschließungen resultieren aus der falschen Vorstellung, dass Kinder und Jugendliche im Vergleich zu Erwachsenen ein besonderes Infektionsreservoir darstellen und nicht gut zu Hygienemaßnahmen angeleitet werden können. Sie sollten künftig allenfalls punktuell bei besonderen Ausbruchssituationen in Erwägung gezogen werden.« »Das Durchmachen einer Sars-CoV-2 Infektion hinterlässt eine systemische Schutzwirkung, wobei sich hier die Immunantwort gegen das gesamte Virus und nicht nur gegen sein Oberflächenprotein richtet. Da diese Infektionen jenseits des Kindes- und Jugendalters klinisch schwer verlaufen können, ist die Devis ›Infektion statt Impfung‹ keine gute Strategie. Den immunologisch besten Schutz haben geimpfte Personen, die später eine Infektion durchgemacht haben.« Viele der Aussagen von Professor Bogdan stellen den aktuellen Stand des Wissens zu Sars-CoV-2 und den Risikominderungsverfahren nicht vollständig oder falsch dar. Daher folgt hier eine kurze, kritische Auseinandersetzung mit Quellenangaben auf aktuelle Erkenntnisse: Die Nutzung von mobilen Luftfiltern in Schulen sei »nicht sinnvoll«:Hierzu gibt es mittlerweile eine klare Evidenz: die Verwendung mobiler Luftfilter führt zu einer deutlichen Reduktion von Infektionsrisiken bei durch die Luft übertragenen Krankheiten (wie z.B. SARS-CoV-2 oder auch Influenza) [1], [2], [3].Langfristig zahlt sich die vergleichsweise überschaubare Investion in gute Raumlufttechnische Anlagen bzw. mobile Luftfilter durch eine geringere Krankheitslast in den Klassen und Schulen aus. Auch hierzu gibt es international bereits diverse Untersuchungen, die zeigen konnten, dass der Einsatz solcher Geräte den Unterrichtsausfall bzw. die krankheitsbedingte Abwesenheit von Schülerinnen und Schülern – und auch der Lehrkräfte – signifikant verringert [4], [5], [6]. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und den aktuellen Problemen im Bildungswesen sind solche einfachen Maßnahmen eine große Hilfe und sollten nicht leichtfertig »zerredet« werden.Ergänzend sei hier noch angemerkt, dass HEPA-Luftfilter nicht nur die Keimbelastung in der Innenraumluft deutlich reduzieren, sie sorgen auch dafür, dass Allergene oder andere Partikel (z.B. Ruß, Feinstaub, Asbest) aus der Luft entfernt werden. In Summe haben HEPA-Filter also einen sehr positiven Effekt auf die Raumluft. Eine ausschließlich auf Infektionskrankheiten ausgerichtete Perspektive übersieht diese Vorteile.Daher ist es unverständlich, dass Herr Prof. Bogdan aus seiner Perspektive als Immunologe hier so ein sehr verkürztes Statement abgibt. Noch unverständlicher ist allerdings, dass dies im genannten Artikel als Aufhänger genutzt und eine noch kürzere Aussage in die Überschrift zu diesem Interview gesetzt wurde. Mit dieser Art der Aufmachung wird leider für Misinformation bei den Lesenden gesorgt. Auch die Aussage, dass »anlasslose Coronatests symptomloser Personen« sich als »viel zu aufwändig und nicht zielführend erwiesen haben« kann so nicht unkommentiert stehen gelassen werden. Da es sich bei SARS-CoV-2 um einen Krankheitserreger handelt, der bereits vor Symptombeginn übertragbar ist bzw. bei einigen Menschen zu einem symptomatischen Verlauf führt, ist dieses Screening ein sinnvoller und nachhaltiger Mechanismus, um die Weitergabe der Erkrankung zu unterbinden. Gerade in Bayern wurde mit dem PCR-Pooling in Grund- und Förderschulen gezeigt, dass sich eine solche Teststrategie sehr gut umsetzen lässt und gleichzeitig konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass diese Maßnahme zu einer deutlich Reduktion der Krankheitsfälle in den teilnehmenden Schulen geführt hat [7], [8]. Herr Professor Bogdan erläutert, dass »die Infektion jenseits des Kinder- und Jugendalters jedoch klinisch schwer verlaufen können« – dies suggeriert, dass die Infektion mit SARS-CoV-2 bei Kindern und Jugendlichen unproblematisch sei. Dies entspricht aber nicht dem aktuellen Stand des Wissens. Auch Kinder und Jugendliche können einen schweren Verlauf bis hin zum Tode erleben. Die Zahl der verstorbenen Kinder im Alter zwischen 0-19 Jahren wird vom RKI mit 172 angegeben [9]. Im Vergleich mit allen anderen in Deutschland vorkommenden Infektionskrankheiten ist Covid-19 damit die tödlichste Infektionskrankheit im Kinder- und Jugendalter. Unabhängig von einer Vorerkrankung erleiden auch viele Kinder schwere Langzeitfolgen (Post-Covid-Syndrom) [10], [11]. Nachdem bereits international entsprechende Erkenntnisse veröffentlicht wurden, konnte der Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Diabetes-Typ-1 und einer vorangehenden Sars-Cov-2 Infektion kürzlich auch von deutschen Wissenschaftlern bestätigt werden [12]. Daher grenzt die Aussage von Professor Bogdan im Interview in dieser verkürzten Form stark an Misinformation. Leider werden im Rahmen solcher Experteninterviews häufig sehr verkürzte Aussagen veröffentlicht – so wie hier geschehen. Vieles davon kann zu einer falschen Interpretation der vorliegenden Fakten führen und Entscheidungsträger zum Beispiel in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen dazu ermutigen, bereits erreichte Verbesserungen zum Beispiel in Bezug auf die Luftqualität wieder fallen zu lassen. Das wäre aus unserer Sicht ein vollkommen falsches Signal.Sehr aktuell ist auch ein öffentlicher Brandbrief von 15 österreichischen Ärztinnen und Ärzten an deren Ärztekammer – Auszug [13]:»Wir können eine ständige, unmitigierte Durchseuchung der Bevölkerung mit einem Gefäß-schädigenden, neurotropen Virus, wie SARS-CoV-2, bei dem eine frühere Infektion nicht längerfristig vor einer weiteren Infektion schützt, NICHT verantworten! Durch Infektionen und Reinfektionen sehen wir bereits jetzt, dass den Menschen gesunde Lebensjahre verloren gehen, die Übersterblichkeit anhaltend zu hoch ist, und alleine in Europa 36 Millionen Menschen als Folge einer SARS-CoV-2 Infektion chronisch krank geworden sind. COVID-19 ist kein Schnupfen. Es ist kein grippaler Infekt. Es ist eine systemische, Gefäß-schädigende Erkrankung, die sich lediglich über den respiratorischen Weg, über Aerosole, ausbreitet.« Es sollte selbstverständlich sein, dass bei einer Berichterstattung zum Thema »Corona / SARS-CoV-2« die aktuellen Erkenntnisse hochkarätiger internationaler Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen berücksichtigt werden und Aussagen wie die im Interview getätigten in diesen Kontext einzuordnen sind. Meinungsaussagen von Medizinerinnen und Medizinern spiegeln aufgrund der sich weiterentwickelnden Erkenntnislage nicht immer den aktuellen Stand des Wissens wider und behindern so eine faktenorientierte Aufklärung über tatsächliche Risiken und individuelle bzw. gruppenbezogene Schutzmöglichkeiten. Quellen: [1] https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/02786826.2021.1877257 [2] https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/70/wr/mm7027e1.htm [3] https://academic.oup.com/cid/article/75/1/e97/6414657 [4] https://www.fondazionehume.it/data-analysis/controlled-mechanical-ventilation-cmv-works/ [5] https://www.healthequitynorth.co.uk/app/uploads/APPG-REPORT-SEPT-23.pdf [6] https://www.nytimes.com/2023/08/27/health/schools-indoor-air-covid.html [7] https://www.bayern.de/kultusminister-piazolo-pcr-pooltests-sind-erfolgreich-etabliert-und-machen-schule-noch-sicherer/ [8] https://www.aerzteblatt.de/archiv/226846/SARS-CoV-2-PCR-Positivitaet-in-Klassen-der-bayerischen-Grundschulstufen-im-Schuljahr-2021-22 [9] https://de.statista.com/infografik/23756/gesamtzahl-der-todesfaelle-im-zusammenhang-mit-dem-coronavirus-in-deutschland-nach-alter/ [10] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0163445321005557 [11] https://www.thelancet.com/journals/lanmic/article/PIIS2666-5247(23)00115-5/fulltext [12] https://www.helmholtz-munich.de/newsroom/news/artikel/diagnosis-of-type-1-diabetes-after-sars-cov-2-infection-researchers-find-possible-correlation [13] https://covidisnotover.info/oeffentlicher-brief-an-aerztekammer/ Gemeinsam für Gesundheit Offene Briefe/Petitionen Mangeljournalismus
Covid-19 und meldepflichtige Krankheiten in Gemeinschaftseinrichtungen: Wie Sie das Gesundheitsamt informieren können 17. August 202420. August 2024
Sehr richtig und gut. Der Desinformation durch „Experten“ muss entschieden entgegen getreten werden. Antworten
Ich stimme dem Brief vollumfänglich zu und bin von der Arbeit der Stiko, insbesondere von Herrn Bogdan, tief enttäuscht. Antworten
Danke! Der Herr hat dem Infektionsschutz einen Bärendienst erwiesen. Hoffentlich verbreitet sich dieser Brief zur Einordnung des Interviews, sonst haben es alle schwerer für saubere Luft zu kämpfen als ohnehin schon. Antworten
Vielen Dank, dass hier nicht klar gekennzeichneten Meinungsartikeln inhaltlich mit den korrekten Fakten begegnet wird! Antworten
Volle Zustimmung. Was mich besonders ärgert ist diese schräge Darstellung von Kindern. Nicht, weil es Kinder sind, sind Kitas und Schulen problematisch, sondern weil sich dort die immer gleichen Personen über lange Zeit auf engem Raum treffen. Die Weitergabe von Viren ist da vorprogrammiert und nahezu unausweichlich. Bei Kindern kommt hinzu, dass sie dann auch außerhalb der Schule unvermeidlich Kontakte haben (v.a. Eltern) und so eine zweite Ebene der Weitergabe hinzu kommt. Ist genau so in Großraumbüros oder bspw. Speisesälen in Altenheimen und – etwas abgeschwächt – in Zügen und Flugzeugen und Bussen sowie andren vergleichbaren Settings und hat nichts mit dem Alter zu tun. Antworten
Auch von mir: volle Zustimmung. Dass Kinder immer wieder als nicht durch das Virus gefährdet dargestellt werden, ist problematisch. Darüber hinaus ist das weitgehende Fehlen von Tests und Luftreinigern in Schulen auch eine Gefahr für deren Lehrerinnen und Lehrer und mit ein Grund für den Lehrer(innen)mangel. Wer kann, sucht sich andere Betätigungsfelder, wer das nicht kann, hat inzwischen vielfach resigniert. Antworten
Mit solchen Falschaussagen kann das mit der sogenannten Eigenverantwortung nichts werden. Vielen Dank für die Richtigstellung und für die hilfreichen Quellen. Antworten